Die europäische Neuregelung der Inhouse-Geschäfte – Fortschritt oder Flop?

Titeldaten
  • Dabringhausen, Gerhard
  • VergabeR - Vergaberecht
  • Heft 4/2014
    S.512-523
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Aufsatz

Art. 12 RL 2014/24/EU

Abstract
Der Autor untersucht die Regelungen zu Inhouse-Geschäften in Art. 12 der neuen EU-Vergaberichtlinie (VRL). Er erläutert dabei zunächst die verschiedenen Konstellationen, die von Art. 12 Abs. 1 VRL erfasst werden und geht hierbei auf zahlreiche Beispiele ein. Die Regelung macht das Vorliegen eines Inhouse-Geschäftes zunächst (a) von der ähnlichen Kontrolle wie über eigene Dienststellen, (b) einer mehr als 80%-igen Tätigkeit der kontrollierten juristischen Person, die der Ausführung von Aufgaben dient, mit denen sie von dem die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggeber betraut wurde und (c) der Nichtbeteiligung privaten Kapitals an der kontrollierten juristischen Person mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und solcher ohne Sperrminorität abhängig. Geregelt werden damit Fälle der „echten“ Inhouse-Gesellschaften, „unechten“ Inhouse-Gesellschaften mit indirekter privater Kapitalbeteiligung sowie von Institutionen mit gesetzlicher Zwangsbeteiligung Privater. Ferner werden die Tatbestandsmerkmale von Art. 12 Abs. 2 VRL, der erstmals umgekehrten vertikalen Inhouse-Vergaben (Tochter an Mutter) sowie horizontale Inhouse-Vergaben (zwischen Töchtern und anderen Verwandten des öffentlichen Auftraggebers), dargestellt. Hierbei untersucht der Autor insbesondere die Frage, ob das Tätigkeitskriterium, das in Absatz 2 von Art. 12 VRL nicht erwähnt ist, hier keine Anwendung findet. Schließlich bereiten aus Sicht des Verfassers auch die Formulierungen in Art. 12 Abs. 3 VRL zu Inhouse-Vergaben an eine gemeinsame Tochtergesellschaft mehrerer öffentlicher Auftraggeber Schwierigkeiten. So verlangt beispielsweise Buchstabe i), dass die beschlussfassenden Organe der kontrollierten juristischen Person sich aus Vertretern sämtlicher öffentlicher Auftraggeber zusammensetzen müssen. Nicht geregelt ist hingegen, ob die erforderliche gemeinsame Kontrolle auch in Fällen eines dominierenden Mehrheitsgesellschafters gegeben ist. Ferner darf die kontrollierte juristische Person nach Buchst. iii) keine Interessen verfolgen, die denen der kontrollierenden Auftraggeber zuwiderläuft. Fraglich ist, wer dies feststellt und wie massiv der Verstoß sein muss. Kritik übt der Verfasser ferner insbesondere an der dogmatischen Formulierung der neuen Inhouse-Regelung. Während der EuGH in seiner Rechtsprechung davon ausgeht, dass es bei einem Inhouse-Geschäft aufgrund der im Vergaberecht geltenden funktionalen Betrachtungsweise an zwei verschiedenen Personen fehlt und damit ein öffentlicher Auftrag nicht gegeben ist, geht der deutsche Text der Richtlinie vom Vorliegen eines öffentlichen Auftrags aus, bei dem lediglich die Anwendung der Vergaberichtlinie ausgeschlossen ist, weshalb er die Frage aufwirft, ob bei Inhouse-Geschäften das europäische Primärrecht oder beispielsweise die Vergabegesetze der Länder Anwendung finden.
Silke Renner, AOK-Bundesverband, Berlin