Titeldaten
- Deckers, Stefan
- ZfBR - Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht
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Heft 5/2022
S.419-426
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz
§ 7 HOAI, § 242 BGB, Art. 288 Abs. 3 AEUV, Art. 12 GG
EuGH, Urt. V. 18.01.2022 - C-261/20, BGH, Beschl. v. 14.05.2020 – VII ZR 174/19, BVerfG, Beschl. v. 26.09.2005 – 1 BvR 82/05
Abstract
Der Beitrag geht unter Fortsetzung des ersten Teils auf die rechtlichen Folgen des EuGH-Urteils vom 18.01.2022 ein. Zunächst wirft der Autor die Frage auf, ob die Regelungen der alten Fassungen der HOAI, insbesondere diejenigen über die Mindestsätze, infolge des EuGH-Judikats möglicherweise bereits aufgrund innerstaatlichen Rechts nicht anzuwenden sind, was eine erneute Vorlage entbehrlich machen würde. Die Nichtanwendung der preisrechtlichen Vorschriften aufgrund widersprüchlichen Verhaltens des Auftragnehmers werde nur in äußersten Ausnahmefällen stattfinden, sodass § 242 BGB keine Grundlage für die Nichtanwendung der europarechtswidrigen Regeln über die Mindestsätze aufgrund nationalen Rechts sei. Auch eine richtlinienkonforme Auslegung könne nicht Grundlage für eine Nichtanwendung sein, da eine solche nur unter Verstoß gegen den eindeutigen Wortlaut der Vorschriften, d. h. contra legem, erfolgen könnte. Im Rahmen der anschließenden verfassungsrechtlichen Prüfung müsse zwischen Honoraren für Leistungen, die im Rahmen eines Architektenwettbewerbs erbracht werden, und solchen, bei denen eine freie Vergabe außerhalb einer Wettbewerbssituation erfolgt, unterschieden werden. Im Zusammenhang mit Honoraren im Rahmen eines Architektenwettbewerbs nimmt der Autor eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.09.2005 in Bezug. Dies sei ein Fall im Sinne der Entscheidung des EuGH vom 18.01.2022, in dem die gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstoßenden Vorschriften von den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland schon vor der Umsetzung der Richtlinie durch die Bundesrepublik Deutschland aufgrund nationalen Rechts nicht anzuwenden waren. Im Rahmen der freien Vergabe außerhalb einer Wettbewerbssituation sieht der Autor einen Eingriff in Art. 12 GG, da preisrechtliche Regelungen wie § 4 Abs. 2 HOAI 1996 und § 7 Abs. 3 HOAI 2009 die Freiheit einschränken, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit den Interessenten auszuhandeln. In der darauffolgenden Verhältnismäßigkeitsprüfung führt er aus, dass es zwar nach europarechtlichen Maßstäben an der Geeignetheit der preisrechtlichen Regelungen fehle. Allerdings seien bei der Anwendung innerstaatlicher Regelungen nicht europarechtliche Grundsätze, sondern diejenigen des deutschen Verfassungsrechts maßgeblich. Grund hierfür sei die Einschätzungsprärogative des deutschen Gesetzgebers. Allerdings seien die preisrechtlichen Vorschriften im Rahmen einer freien Vergabe auch nach innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht geeignet, die durch sie verfolgten Ziele zu erreichen, sodass § 7 HOAI a.F. unangewendet bleiben müsse. Dies stützt er auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05.12.2005 zum sog. „Meisterzwang“. Im Rahmen der Prüfung einer möglichen Inländerdiskriminierung gelangt der Autor zu dem Ergebnis, dass wenigstens für die HOAI 2009 und die HOAI 2013 eine Ungleichbehandlung zwischen In- und Ausländern anzunehmen ist. Sodann beleuchtet der Autor eine in der Literatur vertretene Ansicht, wonach aufgrund der Unvereinbarkeit der preisrechtlichen Vorschriften mit der Dienstleistungsrichtlinie keine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der HOAI mehr bestehen soll. Abschließend konstatiert der Autor, dass nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Mindestsatzregelungen der HOAI 1996, 2009 und 2013 unter Berücksichtigung des nationalen Rechts noch gelten. Es sei ein erneuter Vorlagebeschluss notwendig, sollte der BGH die Unanwendbarkeit der preisrechtlichen Regeln der HOAI aufgrund innerstaatlichen Rechts ablehnen.
Daniel Bens, avocado rechtsanwälte, München