Titeldaten
- Mädler, Jan; Stall, Miriam
- ZWH - Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht, Steuerstrafrecht und Unternehmensrecht
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Heft 10/2023
S.256-266
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz
§ 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB, Art. 57 Abs. 4 UAbs. 1 lit. d RL 2014/24/EU, Art. 101 AEUV, § 298 StGB
EuGH, Urt. V. 15.09.2022 – C-416/21, BayOLG, Beschl. V. 24.06.2021 – Verg 2/21
Abstract
Die Autoren beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit der Frage, ob das kartellrechtliche Konzernprivileg in Vergabeverfahren der öffentlichen Hand eine Rechtfertigung dafür bilden kann, dass sich konzernverbundene Unternehmen über die Inhalte der (einzureichenden) Angebote abstimmen. Gegenstand des Artikels ist die Entscheidung des EuGH vom 15.09.2022, in welcher der EuGH einerseits konstatiert, dass das kartellrechtliche Konzernprivileg keine Rechtfertigung für die Absprache der Angebotsgestaltung bzw. den Informationsaustausch zwischen konzernverbundenen Unternehmen bei öffentlichen Vergabeverfahren darstellt und andererseits aber der bloße Umstand der Konzernverbundenheit keinen Verstoß gegen den Geheimwettbewerb indiziert. Zum Beginn des Beitrags erfolgt eine kurze Darstellung der Ausgangslage, dem Sachverhalt der Entscheidung des EuGH und der Vorlagefragen des BayOLG. Grundlage des Vorlagebeschlusses war die Frage, ob zwei konzernverbundene Bieterunternehmen rechtmäßig vom Wettbewerb gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ausgeschlossen worden waren, wobei infolge Personenidentität die Kenntnis des jeweiligen Angebotsinhalts feststand. Das BayOLG wollte daher vom EuGH wissen, ob das Konzernprivileg hier dem Ausschluss entgegenstand. In der Folge beschreiben die Autoren zunächst die Grundlagen des kartellrechtlichen Konzernprivilegs. Daran anknüpfend erläutern die Autoren zunächst die Wichtigkeit des Geheimwettbewerbs im Vergaberecht, beschreiben die Problematik, wenn zwei konzernverbundene Unternehmen jeweils ein getrenntes Angebot abgeben und stellen den bisherigen Stand der Rechtsprechung zu dieser Problematik dar. Anschließend erfolgt dann die Darstellung der Entscheidung des EuGH vom 15.09.2023, welcher feststellt, dass der Ausschlusstatbestand des Art. 57 Abs. 4 UA 1 d) RL 2014/24/EU eben sowohl Vereinbarungen erfasst, die gegen Art. 101 AEUV verstoßen, als auch sonstige wettbewerbsbeschränkenden Abreden, die nicht unter Art. 101 GWB fallen. Allerdings muss eine konkrete Beeinflussung auch festgestellt werden, sodass die bisherige Praxis in der Rechtsprechung widerlegbar zu vermuten, dass eine Absprache bei konzernverbundenen Unternehmen erfolgt, nach Ansicht der Autoren wohl so nicht haltbar sein dürfte. Daran anknüpfend beschreiben die Autoren dann die Folgen für konzernverbundene Unternehmen und konstatieren, dass für den Fall, dass konzernverbundene Unternehmen verschiedene Angebote einreichen wollen, der Wettbewerb beispielsweise durch sogenannten „Chinese Walls“ unverfälscht sein muss. Allenfalls die prozessuale Ausgangssituation dürfte sich im Fall eines Ausschlusses leicht verbessert haben. Abschließend setzen sich die Autoren dann auch mit der Strafbarkeit wettbewerbsbeschränkender Absprachen gem. § 298 StGB auseinander. Für eine solche Strafbarkeit dürfte nach Ansicht der Autoren zu differenzieren sein, ob es sich um eine Ausschreibung eines öffentlichen oder eines privaten Auftraggebers handelt, da in letzterem Fall wohl das Konzernprivileg greifen dürfte, sodass das Verhalten nicht rechtwidrig wäre.
Daniel Bens, avocado rechtsanwälte, München