Der Schutz vor De-facto-Vergaben in § 135 GWB - effektiver Rechtsschutz oder löchriges Sieb?

Titeldaten
  • Kern, Bernhard
  • VergabeR - Vergaberecht
  • Heft 2a/2024
    S.228-234
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

§ 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB
§ 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB

Abstract
Der Autor setzt sich in seinem Beitrag mit der Frage auseinander, ob und inwieweit durch die Vorschrift des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB die Effektivität des Rechtsschutzes bedroht ist. Hierzu stellt er in einem ersten Schritt fest, dass die aktuelle Fassung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB den Vorgaben der Rechtsmittelrichtlinie entspreche. Weiter stellt er klar, dass der deutsche Gesetzgeber die durch die Richtlinie eingeräumten Handlungsspielräume nicht genutzt habe, sodass für die Feststellung der Nichtigkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB weiterhin allein die fehlende vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung maßgeblich sei. In einem zweiten Schritt arbeitet der Autor sodann die sich im Zusammenhang mit § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB ergebenden Lücken im Rechtschutz heraus. Eine Lücke sieht der Autor für den Fall, dass ein Zuschlag unter Verstoß gegen das Zuschlagsverbot des § 169 Abs.1 GWB erteilt wurde. Denn dieser Fall würde vom Wortlaut des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht erfasst und stelle auch keinen Verstoß gegen § 134 BGB dar, da es sich beim Zuschlagsverbot um kein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB handele. Weitere Rechtsschutzlücken sieht der Autor im Zusammenhang mit Aufträgen, die aufgrund ihres Typs nicht rückabgewickelt werden können und auch bei Aufträgen, die während der - wegen bestehender Arbeitsüberlastung - mitunter langen Verfahrensdauern von Nachprüfungsverfahren schlicht fertig abgewickelt werden. Keine Lücken im Rechtsschutz sieht der Autor für den Fall, dass eine fehlerhafte Bekanntmachung des Auftrags erfolgt. Denn wenn die Bekanntmachung derart fehlerhaft erfolge, dass sie ihre Funktion nicht erfüllen könne, läge im Ergebnis keine Bekanntmachung und damit ein Anwendungsfall von § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB vor. Im Zusammenhang mit Interimsvergaben erkennt der Autor ebenfalls keine Lücke im Rechtsschutz. Der Autor geht dann der Frage nach, ob im Rahmen eines Verfahrens nach § 135 GWB die Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung nach § 169 Abs. 3 Satz 1 GWB besteht. Hierbei kommt der Autor zu dem Schluss, dass eine einstweilige Anordnung in einem Verfahren nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB ausscheide, da der Abschluss des angegriffenen Vertrages das für die einstweilige Anordnung erforderliche Vergabeverfahren beende. Anschließend erläutert der Autor, warum es seiner Ansicht nach bei fehlender Bekanntmachung infolge einer rechtswidrigen Verfahrensauswahl zu einem „überschießenden Rechtsschutz“ komme. Abschließend stellt der Autor fest, dass § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB und die damit einhergehenden Lücken beim Rechtsschutz mit den Vorgaben der Rechtsmittelrichtlinie in Einklang stünden. Eine Schließung der Lücken bedürfe eines Tätigwerdens des nationalen Gesetzgebers, indem dieser die von der Rechtsmittelrichtlinie eingeräumten Gestaltungsspielräume nutze.
Martina Hadasch, avocado rechtsanwälte, München