Direktvergabe militärischer Beschaffungsaufträge – Ausnahme oder neuer Regelfall?

Titeldaten
  • Rabe, Stephan
  • NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
  • Heft 8/2024
    S.443-448
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Aufsatz

Abstract
Der Verfasser setzt sich mit der durch die ständige Rechtsprechung des EuGH vorgezeichneten restriktiven Anwendung der Ausnahmebestimmungen vom europäischen Wettbewerbsrecht im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), auch unter den neuen sicherheitspolitischen Gegebenheiten auseinander. Er zeigt auf, dass weiterhin, wie auch eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Verg 22/23, Direktvergabe militärische Digitalfunkgeräte) aus Dezember 2023 deutlich macht, jede Ausnahme im Einzelfall im Lichte des AEUV und der nationalen Vergabevorschriften sehr genau geprüft werden. Auf keinen Fall verstehen sich Ausnahmevorschriften wie Art. 346 Abs.1 lit. b AEUV (wesentliche nationale Sicherheitsinteressen) als vergabe-rechtlicher Freibrief für Beschaffungsämter, der mit jedweder, auch oberflächlicher Berufung auf irgendein vage beschriebenes nationales Sicherheitsinteresse ohne weiteres zur Anwendung gebracht werden kann. Dies gilt, trotz einer unstreitig angespannten geopolitischen Lage auch weiterhin für die Beschaffung militärischer Ausrüstungsgüter entsprechend der Waffenliste des Europäischen Rates. Ein sorgloser Um-gang von Beschaffungsstellen mit der Ausnahmevorschrift dürfte letztlich zur Feststellung eines Vergaberechtsverstoßes durch die nationalen Gerichte oder den EuGH führen. Auch wenn die Direktvergabe langfristiger Rahmenverträge bei militärischen Be-schaffungsvorhaben als probates Mittel erscheint, langwierige förmliche Vergabeprozesse zu umgehen, garantieren europaweite Ausschreibungsverfahren, neben der Einhaltung verbindlichen EU-Rechts, dass der Besteller die für seine Zwecke am besten geeigneten Produkte zu den wirtschaftlichsten Konditionen erhält. Dass hierdurch Verzögerungen bei der Beschaffung dringend benötigter Ausrüstung der Streitkräfte eintreten, hält der Verfasser für keineswegs belegt. Da nach Abschluss des Vergabe-verfahrens und dem Abschluss entsprechender Rahmenverträge in der Regel umfang-reiche Praxistests durchgeführt werden, an die sich in der Regel eine längere Ausbildungs- und Einführungsphase in der Truppe anschließt, bewirkt das Vergabeverfahren als solches, sofern es gut organisiert ist und stringent durchgeführt wird, tatsächlich keine Behinderung der Geschwindigkeit eines Beschaffungsvorgangs.