Bewerber- und Bietergemeinschaften im Vergaberecht – im Spannungsfeld zwischen vergaberechtlich erwünschter Marktöffnung und kartellrechtswidriger Marktverengung

Titeldaten
  • Praßler, Robert
  • VergabeR - Vergaberecht
  • Heft 1/2025
    S.1-6
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

BGH, Urt. v. 13.12.1983 – KRB 3/83 – „Schramberg-Entscheidung“, KG, Beschl. v. 24.10.2013 – Verg 11/13, OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.07.2015 – VII-Verg 17/15, OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.06.2016 – VII-Verg
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Abstract
Der Autor befasst sich in dem Beitrag mit dem Spannungsfeld, in dem sich Bietergemeinschaften im Rahmen eines Vergabeverfahrens bewegen. Während Bietergemeinschaften auf der einen Seite zu einer vergaberechtlich gewollten Vergrößerung des Bewerberfelds führen würden, die gerade kleineren und mittleren Unternehmen überhaupt erst eine Marktzutrittschance verschaffe, stehe auf der anderen Seite eine illegitime Wettbewerbsbeschränkung. Schließen sich nämlich zwei Unternehmen zusammen, die in derselben Branche und auf demselben Markt tätig sind (sog. Horizontale Bietergemeinschaften), träfen sie – zumindest abstrakt gesehen –, so der Autor, eine Vereinbarung, nicht als eigenständiger Wettbewerber am Markt aufzutreten und damit eine wettbewerbsbeschränkende Abrede i.S.v. § 1 GWB. Dieses Spannungsfeld unterzieht der Autor sodann einer rechtlichen Untersuchung, deren Basis eine Leitentscheidung des BGH aus dem Jahr 1983 darstellt. Der BGH habe insoweit die Zulässigkeit von Bietergemeinschaften für grundsätzlich kartellrechtskonform bejaht, sofern es sich um eine „wirtschaftlich zweckmäßige und kaufmännische vernünftige Entscheidung“ handele. Hierdurch habe der BGH letztlich eine (unternehmens-)subjektive Komponente für die Beurteilung der Frage einer zulässigen Beteiligung an einer Bietergemeinschaft anerkannt, die zwar nicht schrankenlos gelte, den Unternehmen jedoch einen Beurteilungsspielraum einräume. Im Ergebnis habe der BGH damit ein Regel-Ausnahme-Prinzip pro Kartellrechtskonformität der Bietergemeinschaft aufgestellt. Im Folgenden schildert der Autor die zunehmenden Zweifel am subjektiven Kriterium anhand einer abweichenden Judikatur des OLG Düsseldorf und des KG Berlin, sowie der Horizontal-Leitlinien der Europäischen Kommission und der Auffassung des Bundeskartellamtes. Hiernach sei das subjektive Kriterium keine eigenständige Fallgruppe, die für die Kartellrechtskonformität der Bietergemeinschaften genüge, sondern vielmehr sei dieses subjektive Kriterium nachrangig zu den objektiven Kriterien zu bewerten und allenfalls nur kumulativ zu verstehen. Das KG Berlin ging im Jahre 2013 sogar weiter und kehrte das vom BGH aufgestellte Regel-Ausnahme-Prinzip pro Kartellrechtskonformität der Bietergemeinschaft um und postuliert eine „Vermutung einer generellen Unzulässigkeit einer Bietergemeinschaft“, die sich ausnahmsweise nur mit der objektiven Notwendigkeit eines Zusammenschlusses widerlegen ließe. Gemäß der Horizontal-Leitlinien der Europäischen Kommission seien Bieterkonsortien, so dort die Begrifflichkeiten, nur dann nicht wettbewerbsbeschränkend, wenn sie den Parteien die Teilnahme an Projekten erst ermögliche, die sie einzeln nicht durchführen könnten. In seinem Fazit betont der Autor abschließend, dass die Frage der Zulässigkeit von Bietergemeinschaften bis dato nicht pauschal beantwortet werden könne, sondern es vielmehr einer einzelfallabhängigen Prüfung bedürfe. Aus diesem Grunde schlägt er vor, nur dann in eine Bietergemeinschaft einzutreten, wenn dies zur Teilnahme an dem konkreten Vergabeverfahren ausschließlich objektiv erforderlich sei.
Martina Hadasch, avocado rechtsanwälte, München