Frauenquote und Vergaberecht

Titeldaten
  • Koch, Jens
  • ZIP - Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
  • Heft 35/2012
    S.1695-1703
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

Art. 26, 53 VKR

EuGH Slg. 1988, I - 4635 - "Beentjes"

Abstract
In Zeiten, in denen die Europäische Union die "Strategische Beschaffung" propagiert, also die Vergabe öffentlicher Aufträge noch stärker als Hebel zur Bewältigung gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Probleme, wie etwa in den Bereichen Infrastruktur, Umwelt, Bildung oder Arbeitsmarkt, einsetzen will, ist die vom Autor angestellte Betrachtung des Politikziels einer Frauenquote in Führungsgremien von Unternehmen unter vergaberechtlichen Aspekten alles andere als akademisch. Aufhänger der Untersuchung ist eine im Jahr 2007 in Spanien eingeführte Regelung zu einer solchen Frauenquote, deren Einhaltung der spanische Gesetzgeber überdies als zulässiges Kriterium für die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgestaltet hat. Müssen deutsche Unternehmen also den Ausschluss von spanischen Staatsaufträgen gewärtigen, wenn sie die dortige Frauenquote nicht einhalten?

Der Autor beruhigt seine Leser mit der Auskunft, dass eine solche nationale Regelung mangels jeglichen Bezuges zum konkreten Auftrag nicht mit dem EU-Vergaberecht vereinbar ist, da bislang jeder empirische Beweis dafür fehle, dass Unternehmen, in deren Führungsgremien eine bestimmte Frauenquote überschritten ist, wirtschaftlicher arbeiten als jene, die eine solche Quote verfehlen. Er konstatiert darüber hinaus einen Verstoß gegen die primärrechtlichen Grundsätze des Diskriminierungsverbotes sowie der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit, so dass solche Regelungen ungeachtet ihrer nationalen Wirksamkeit gegenüber Unternehmen aus anderen Mitgliedsstaaten grundsätzlich keine Geltung beanspruchen könnten.

Können mit den vom Autor schlüssig entwickelten Ergebnissen auch kompakte argumentative Bollwerke gegen eine ausufernde Indienstnahme des Vergaberechts für sozial- und gesellschaftspolitische Gleichstellungsanliegen errichtet werden, ist die Warnung vor dem letzten Wort des EuGH, dessen Entscheidungen bekanntermaßen noch schwieriger zu prognostizieren sind als diejenigen nationaler Obergerichte, leider nur zu berechtigt. Solange dieses letzte Wort nicht gesprochen ist, ist die Messe der Frauenquote im Vergaberecht noch nicht gelesen.


Dr. Klaus Heuvels , CMS Hasche Sigle , Frankfurt am Main