EuGH „Bundesdruckerei“ – Vorbote neuen Ungemachs für die deutsche Tariftreuegesetzgebung?

Titeldaten
  • Schnieders, Ralf
  • VergabeR - Vergaberecht
  • Heft 2/2015
    S.136-144
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Aufsatz

Abstract
Der Autor berichtet über die Auswirkungen des EuGH Urteils vom 18.09.2014 (C-549/13, VergabeR 2015, 28 – „Bundesdruckerei“) auf Mindestlohnregelungen in NRW und anderen Bundesländern im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe. Er stimmt dem Urteil zwar im Ergebnis zu, kritisiert aber die Auffassung des EuGH, der wegen der Mindestlohnregelung die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV verletzt sieht. Nach seiner Ansicht führe die begrenzte Anwendbarkeit der Mindestlohnverpflichtung auf öffentliche Aufträge zumindest zu einem partiellen Arbeitnehmerschutz. Im Rahmen der Kohärenzprüfung lasse der EuGH traditionell den Einwand innerstaatlicher Kompetenzverteilung bei der Umsetzung von Unionsrecht außer Betracht und berücksichtige nicht die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand. Soweit der EuGH die Regelung jedenfalls im konkreten Fall als unverhältnismäßig erachtet hat, weist der Autor auf die Anwendung des Herkunftlandprinzips hin und merkt an, dass in die Abwägung auch die zunehmende Bedeutung der Verwirklichung sozialpolitischer Ziele einfließen müsse. Nach seiner Ansicht sei deshalb außerhalb der speziellen Umstände des Vorlagefalls die Regelung eines vergabespezifischen Mindestlohns im Verhältnis zur hohen Bedeutung des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt. Sofern die Länder aber künftig Aufträge vergeben würden, bei denen Leistungen im EU-Ausland erbracht werden, müssen sie ihre Mindestlohnregelungen im Rahmen einer unionsrechtskonformen Auslegung unangewendet lassen, sofern sie nicht ohnehin schon auf inländische Sachverhalte beschränkt sind.
Dr. Roland Stein , Freshfields Bruckhaus Deringer LLP , Berlin