Die Ausschreibung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

Unter den Blickwinkeln der Vergaberechtsreform und Open-House-Rechtsprechung
Titeldaten
  • Meyer-Hofmann, Bettina; Bördner, Jonas ; Kruse, Oliver
  • NZS - Neue Zeitschrift für Sozialrecht
  • Heft 12/2018
    S.473-481
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Aufsatz

Abstract
Der Beitrag setzt sich mit der vergaberechtlichen Ausschreibungspflicht gesetzlicher Krankenkassen bei der Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und der Teilhabe am Arbeitsleben auseinander. Dabei wird zunächst dargestellt, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV) momentan ein zweistufiges Verfahren durchführt, das nicht nach den Regeln des Vergaberechts erfolgt. Auf der ersten Stufe steht der Zulassungsakt (Vertrag mit Rehabilitationseinrichtungen) und auf der zweiten Stufe eine Eignungsprüfung anhand von diversen Auswahlkriterien. Die DRV vertrete hierbei den Standpunkt, dass es sich um ein offenes Zulassungsverfahren gem. § 21 SGB IX als lex specialis zum Vergaberecht handele, bei dem jeder geeignete Anbieter für den Abschluss eines Vertrages in Betracht komme. Die Autoren prüfen im Einzelnen die Voraussetzungen zur Anwendbarkeit des Vergaberechts sowie mögliche Ausnahmevorschriften. Speziell wird problematisiert, ob es sich bei den Leistungen der DRV um öffentliche Aufträge handelt. Dies wird konkret dann als fraglich betrachtet, wenn die Krankenversicherungen gegenüber den Rehabilitationseinrichtungen eine Auswahlentscheidung treffen. Im Rahmen der Entgeltlichkeit vergleichen die Autoren diese Konstellation mit der Rechtsprechung zu Arzneimittelrabattverträgen und Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung. Demnach könnten die Wertungen auf die medizinische Rehabilitation ggf. übertragen werden, sodass das Kriterium der Entgeltlichkeit gem. § 103 GWB erfüllt wäre. Weiterhin prüfen die Autoren Parallelen zum offenen Zulassungsverfahren, sog. Open-House-Modell, und gehen auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH ein. Eine Übertragung der dort entwickelten Grundsätze auf die vorliegende Konstellation würde zu einer Ablehnung der öffentlichen Auftragseigenschaft führen. Dies wird jedoch aufgrund des Ausnahmecharakters sehr kritisch gesehen. Abschließend beschäftigt sich der Beitrag mit den Regelungen des neuen Vergaberechts und hier speziell mit der Definition von sozialen und andere besonderen Dienstleistungen. Im Ergebnis sei das Vergaberecht - entgegen der Praxis der DRV - jedenfalls dann anzuwenden, wenn eine Auswahlentscheidung getroffen werde. Dies sei jedenfalls auf der 2. Stufe des momentan angewendeten Verfahrens der Fall.
Virginia Meyer, PricewaterhouseCoopers Legal AG Rechtsanwaltsgesellschaft, Berlin