Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 7.8.2018 – C-300/17 , Hochtief AG gegen Budapest Főváros Önkormányzata (EuGH, Urt. v. 7.8.2018 – C-300/17)

Titeldaten
  • Vincze, Attila
  • GPR - Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union
  • Heft 2/2019
    S.77-82
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

Art. 1 Abs. 1 und 3 RL 89/665/EWG, Art. 2 Abs. 6 RL 89/665/EWG, Art. 47 GRCh

EuGH vom 07.08.2018 (C-300/17), EuGH (Urt. v. 3.3.2005 – C 21/03 und C-34/03), EuGH vom 15.10.2009 (C-138/08)

Abstract
Der Autor setzt sich mit der Entscheidung des EuGH vom 07.08.2018 (C-300/17 – Hochtief AG gegen
Budapest Föváros Önkormányzata) auseinander. Der EuGH hatte in dieser Entscheidung festgestellt, dass
die Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs durchaus davon abhängen dürfe, dass vorab eine
Schiedsstelle oder ggf. ein überprüfendes Gericht einen Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften
rechtskräftig festgestellt habe. Zudem dürfe sich die Schiedsstelle oder das überprüfende Gericht auf die
Prüfung der Gründe beschränken, welche ihr gegenüber vorgetragen werden. Zunächst stellt der Autor
ausführlich den zugrunde liegenden Sachverhalt dar. Ausgangspunkt der Darstellung ist dabei das
ursprüngliche Vergabeverfahren, in welchem ein deutsches Bauunternehmen bereits nach dem
Teilnahmewettbewerb von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde. Der Ausschluss erfolgte, da
das Unternehmen als leitenden Planer einen Experten benannt habe, welcher für den öffentlichen
Auftraggeber an der Ausarbeitung der Vergabeunterlagen beteiligt gewesen war. Hiergegen wehrte sich
das Bauunternehmen mit im Wesentlichen zwei Argumenten. Zum einen wäre durch seinen Ausschluss im
Teilnahmewettbewerb die Zahl der verbliebenen Teilnehmer auf unter zwei gesunken und zum anderen
hätte dem Unternehmen vor dem Ausschluss die Möglichkeit zur inhaltlichen Stellungnahme gegeben
werden müssen. Zu beachten ist insoweit, dass im Zuge des Verfahrens die Fabricom-Entscheidung des
EuGH (Urt. v. 03.03.2005 – C 21/03 und C-34/03), wonach ein genereller Ausschluss von Projektanten ohne
die gesonderte Möglichkeit zur Stellungnahme unzulässig sei, zwar existent, aber noch nicht in ungarischer
Sprache veröffentlicht war. Das nationale Gericht legte dem EuGH aber lediglich die Frage vor, ob eine
Reduzierung der Teilnehmeranzahl auf unter drei Teilnehmer gegen EU-Recht verstoße, was der EuGH in
seiner Entscheidung vom 15.10.2009 (C-138/08) verneinte. Da nach Ansicht des ungarischen Gerichts die
Rüge der fehlenden inhaltlichen Stellungnahmemöglichkeit ohne den Bezug auf die Fabricom-
Entscheidung nicht ausreichend substantiiert gewesen sei, wurde die Klage abgewiesen. Hierbei ist eine
Besonderheit des ungarischen Rechts, dass bereits in der Ausgangsinstanz der Verstoß unter Nennung der
rechtlichen Beurteilung samt genauer Vorschriftenreferenz und der einschlägigen Judikatur des EuGH zu
nennen ist. Geschieht dies nicht, ist man in allen nachfolgenden Instanzen hiermit präkludiert. Daran
anschließend stellt der Autor den nachfolgenden Schadensersatzprozess dar, welcher zur besprochenen
Entscheidung geführt hatte. Das Bauunternehmen wollte in einem Folgeprozess Schadensersatzansprüche
wegen der erwiesenen Vergabeverstöße geltend machen. Das ungarische Recht setzt für einen
Schadensersatzanspruch jedoch voraus, dass die Rechtswidrigkeit der Vergaberechtsentscheidung bereits
zuvor festgestellt wurde, was vorliegend infolge der Präklusion nicht erfolgte. Um die Vereinbarkeit dieser
ungarischen Vorschriften mit der Richtlinie 89/665/EWG klären zu lassen, legte das nationale Gericht diese
Fragen dem EuGH vor, welcher dann – wie oben beschriebenen – die Vereinbarkeit grundsätzlich bejahte.
In der nachfolgenden Auseinandersetzung kritisiert der Autor im Wesentlichen, dass der EuGH mit dieser
Entscheidung eine zu formalistische Ausgestaltung eines vergaberechtlichen Rechtsbehelfs stütze, welche
mit dem Grundsatz der Effektivität primären Rechtsschutzes seiner Ansicht nach nicht vereinbar sei.
Insbesondere berücksichtige das Urteil nur unzureichend die Problematik, dass die Fabricom-
Entscheidung noch nicht einmal in ungarischer Sprache vorgelegen habe. Da der EuGH die Auffassung
geäußert habe, dass es dem in Deutschland ansässigen Unternehmen nicht absolut unmöglich gewesen
sei, seine Ansprüche geltend zu machen, da ja andere Sprachfassungen bereits erreichbar gewesen seien,
folge hieraus nach Ansicht des Autors die Notwendigkeit für Praktiker und internationale Unternehmen
die Rechtsprechung des EuGH täglich zu verfolgen.
Daniel Bens, avocado rechtsanwälte, München