Partnerschaftliche Bauprojekte – vergaberechtliche Wege

Titeldaten
  • Püstow, Moritz ; Meiners, Johannes
  • VergabeR - Vergaberecht
  • Heft 2a/2020
    S.281-299
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

§ 119 Abs. 5 GWB, § 3 EU Nr. 3 VOB/A, § 3 EU Nr. 4 VOB/A, § 3 EU Nr. 5 VOB/A, § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A, § 132 GWB, § 18 Abs. 2 VOB/B, § 18 Abs. 3 VOB/B, § 2 EU Abs. 8 VOB/A, § 7 EU Abs. 1 VOB/A, § 7b EU VOB/A, § 127 GWB , § 22 VOB/A

Abstract
Die Autoren setzen sich ausführlich mit den rechtlichen wie praktischen Möglichkeiten auseinander, die sich im Rahmen von partnerschaftlichen Bauprojekten ergeben. Hierzu stellen sie unterschiedlichste Lösungsansätze für eine optimierte Gestaltung von Bauvergaben dar, wobei sie zwischen Lösungsansätzen unter Aufrechterhaltung der Trennung zwischen Bau und Planung und solchen unter Aufhebung dieser Trennung differenzieren. Für die Lösungsansätze unter Aufrechterhaltung der Trennung zwischen Planung und Bau stellen sie vergaberechtliche wie vertragliche Möglichkeiten dar, die für eine Optimierung der Bauvergabe genutzt werden können. Auf vergaberechtlicher Ebene erläutern sie die zur Verfügung stehenden dialoggeprägten Vergabeverfahren und deren Voraussetzungen. Hierbei setzen sich die Autoren mit den rechtlichen Anforderungen des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb, des wettbewerblichen Dialogs und der Innovationspartnerschaft auseinander und geben wertvolle wie zahlreiche Hinweise für die Praxis, wenn sie im Anschluss die Chancen aber auch die Grenzen für die Nutzung der dialoggeprägten Vergabeverfahren besprechen. Gleiches gilt für die dann folgenden Optimierungsvorschläge, mit welchen die Autoren den Auftraggebern konkrete Möglichkeiten an die Hand geben, um das Verfahren im Hinblick auf die bestmögliche Umsetzung und die angemessene Berücksichtigung der Bieterinteressen zur Steigerung von deren Beteiligungsbereitschaft gestalten zu können. Hierbei gehen sie insbesondere auf die Optimierung durch Belohnung der Bieter ein und stellen konkrete Modelle für die Umsetzung solcher Anreizsysteme dar. Zudem erläutern sie anhand konkreter Beispiele die Voraussetzungen und Vorteile, die sich durch die Zulassung von Nebenangeboten bzw. das Abfragen von Konzepten ergeben. Auf vertraglicher Ebene setzen sich die Autoren sodann mit dem Optimierungspotenzial auseinander, welches sich durch Terminziele im Sinne von Beschleunigungsprämien, Kostenzielen in Form von Zielpreisvereinbarungen und Kostenoptimierungsprämien, aber auch auf Ebene der außergerichtlichen Konfliktlösung ergeben kann. Hierzu stellen sie die jeweiligen Voraussetzungen für die Nutzung der genannten Mechanismen dar und geben Beispiele für eine erfolgreiche wie praxisgerechte Umsetzung. Sodann erläutern sie die verschiedenen Möglichkeiten im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung in Form eines vorgeschalteten internen/vertraglichen Streitbeilegungsmechanismus, der Schlichtung und der Adjukation. Die Lösungsansätze der Autoren unter Aufhebung der Trennung von Planung und Bau werden getrennt nach den bekannten GU-Modellen bzw. ÖPP und den neuen, insbesondere im Ausland zur Anwendung kommenden Optionen des Early Contractor Involvement und des Allianzmodells dargestellt. Die Autoren stellen die rechtlichen Voraussetzungen des GU- bzw. PP-Modells dar und erläutern, unter welchen Voraussetzungen die Umsetzung praktisch sinnvoll ist und welche Risiken insoweit bestehen. Sodann widmen sie sich der „neuen Welt“ der echten Kooperation und stellen das sog. Early Contractor Involvement und damit die Einbindung des Baus in die Planung und das Allianzmodell dar. Hierbei erläutern sie den konkreten Ablauf eines Zwei-Phasen-Modells für die Einbindung des Baus und grenzen die Verantwortungs- und Aufgabenbereiche der Beteiligten zueinander ab. Im Anschluss setzen sie sich mit den vergaberechtlichen Aspekten und etwaigen Risiken im Zusammenhang mit der Vergabereife, dem Gebot zur eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots und der Problematik wesentlicher Auftragsänderungen bei einem Early Contractor Involvement auseinander. Letztlich stellen die Autoren das im deutschen Raum kaum bekannte Allianzmodell, wie es vor allem in Australien zur Anwendung kommt, dar. Dieses zeichne sich durch einen partnerschaftlichen Dialog zwischen Auftraggeber, Planer und Bauunternehmer aus, bei welchem die verschiedenen Projektbeteiligten, wie Architekten, Fachplaner und bauausführende Unternehmen, mit dem Bauherren in einem gemeinsamen Allianzvertrag verbunden seien. Die Besonderheit des Allianzmodells liege in einer rechtlich strukturierten Form der Zusammenarbeit, die durch eine für alle Beteiligten einheitlichen Definition der Projektaufgabe, einheitlichen kaufmännischen Grundlagen und zwischen allen Beteiligten vereinbarten Zielkosten gekennzeichnet werde. Sämtliche Projektbeteiligten würden auf sieben partnerschaftliche Verhaltensregeln, mithin Teilung von Chancen und Risiken, Außergerichtliche Streitbeilegung, gemeinsame Entscheidungsfindung zur bestmöglichen Zielerreichung, Kooperation, Vertrauen, Transparenz durch open book Dokumentation und Berichtswesen und ein gemeinsames Projektmanagement verpflichtet. Als standardisierte Form eines Allianzvertrags weisen die Autoren auf den britischen Project Partnering Contract (PPC) hin. Abschließend stellen die Autoren überblicksmäßig die Herausforderungen dar, die sich bei einem solchen Allianzvertrag insbesondere im Hinblick auf Haushalts- und Vergaberecht ergeben können.
Martina Hadasch, avocado rechtsanwälte, München