Thüringer Vergabegesetz – erfolgreich novelliert?

Titeldaten
  • Weirauch, Moritz
  • VergabeR - Vergaberecht
  • Heft 6/2020
    S.871-880
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

UVgO, ThürVG

Abstract
In seinem Beitrag beschreibt und bewertet der Autor die am 01.12.2019 in Kraft getretene Novelle des Thüringer Vergabegesetzes (ThürVG). Hierfür setzt er sich vorab mit dem Ziel des Gesetzgebers für die Novellierung, mithin der Herbeiführung einer Vereinfachung des Vergaberechts, auseinander, um sodann die jeweiligen Änderungen des Gesetzes an diesem Maßstab zu messen. Dementsprechend stellt er in einem ersten Schritt die erfolgten Änderungen im Überblick dar, um sich nachfolgend mit einzelnen Aspekten genauer auseinanderzusetzen. Hierbei beschreibt er die Änderungen im sachlichen Anwendungsbereich des ThürVG und bemängelt, dass unklar bleibe, ob das ThürVG auch auf Rahmenvereinbarungen und Wettbewerbe Anwendung finde. Daran anknüpfend befasst sich der Autor mit der Anwendung der Vergabeverordnungen und stellt fest, dass durch § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ThürVG nun auch in Thüringen die UVgO und der 1. Abschnitt der VOB/A unterhalb der Schwellenwerte anzuwenden sind, wobei die Regelungen des ThürVG denen der UVgO bzw. der VOB/A vorgehen. Anschließend stellt er den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes dar und zeigt auf, dass dieser nach dem ThürVG immer noch primär institutioneller Art sei. Weiter konstatiert er, dass das ThürVG sogenannte „klassische“ Vergaberegelungen beinhalte, welche seiner Ansicht nach redundant und damit überflüssig seien. Im Anschluss setzt sich der Autor intensiv mit den im Gesetz vorgesehenen umweltbezogenen und sozialen Aspekten auseinander. Das ThürVG sei hier im Gegensatz zur Vorgängerregelung um weitere Bestimmungen ergänzt worden. Hierzu gehörten u. a. ein Katalog mit beispielhaft in Betracht kommenden Aspekten, ein vergabespezifisches Mindeststundenentgelt und eine Bonusregelung für gleichwertige Angebote. Der Autor bewertet diese Neuerungen jedoch als redundant gegenüber den bestehenden Vorschriften bzw. die Bonusregelung in Bezug auf den praktischen Anwendungsbereich zumindest als fragwürdig. Hiernach beschäftigt sich der Autor noch ausführlich mit den Regelungen zur Tariftreue, zum Mindeststundenentgelt und zur Entgeltgleichheit, wobei er die Regelungen zum Mindeststundenentgelt als politisch bedeutendste Neuregelung im ThürVG einordnet. Nach einer Darstellung der thüringischen Regelung, welche u. a. auf landesspezifische Tarifverträge abstelle, kritisiert er dieses Kaskadenprinzip als für nicht ortsansässige Unternehmen als wenig „anwenderfreundlich“. Anschließend stellt der Autor noch fest, dass das ThürVG nun auch das sogenannte Bestbieterprinzip eingeführt habe, wonach nur noch der Bestbieter aufgefordert werde, Erklärungen und Nachweise vorzulegen. Darüber hinaus setzt sich der Autor noch mit dem bereits im ThürVG vor der Novellierung vorhandenen Rechtsschutzverfahren auseinander und stellt fest, dass eine weitere Ausdifferenzierung stattgefunden habe. Dies gelte v. a. für die Präzisierung bei der Nichtberücksichtigungsmitteilung und für die automatische Übersendung der Vergabeakte an die Nachprüfungsbehörde, wenn ein unterlegener Bieter innerhalb der Frist eine Beanstandung erhebt. Abschließend zieht der Autor ein Fazit zu den Neuregelungen und kommt zu dem Ergebnis, dass das Ziel der Vereinfachung des Vergaberechts nur in Teilen als gelungen bezeichnet werden könne.
Daniel Bens, avocado rechtsanwälte, München