Kein „per se-Ausschluss“ von Null-Euro-Angeboten

Titeldaten
  • Hattig,Oliver ; Oest,Tobias
  • NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
  • Heft 1/2021
    S.243-246
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 und Art. 69 RL 2014/24/EU

EuGH, Urt. vom 10.09.2020 - C-367/19

Abstract
In ihrem Aufsatz erläutern die Autoren eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage, ob ein
Null-Euro-Angebot, das für die zu erbringende Dienstleistung vom öffentlichen Auftraggeber keine
Gegenleistung verlangt, auszuschließen ist. In dem vom EuGH zu beurteilenden Sachverhalt führte das
slowenische Innenministerium ein Vergabeverfahren über einen Auftrag für den Zugang zu einem
Rechtsinformationssystem für einen Zeitraum von 24 Monaten durch, bei dem der geschätzte Auftragswert
knapp unter 40.000 Euro netto lag. Das Angebot des Unternehmens Tax-Fin-Lex d.o.o. sah einen Endpreis
von null Euro vor, weshalb der Auftraggeber es vom Vergabeverfahren ausschloss. Der Antrag des Bieters
auf Überprüfung der Entscheidung mit dem er vortrug, sich von dem Auftrag Zugang zu einem neuen
Markt, die Gewinnung neuer Nutzer und entsprechende Referenzen zu versprechen, wurde vom
Auftraggeber abgelehnt und an die Staatliche Kommission für die Überprüfung von Verfahren zur Vergabe
öffentlicher Aufträge verwiesen, die den Fall dem EuGH vorlegte. Sie hatte Zweifel an der Entgeltlichkeit
des Vertragsverhältnisses und stellte daher die Frage, ob das Merkmal eines öffentlichen Auftrags im Sinne
von Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 RL 2014/24/EU erfüllt sei und ob die Norm eine Grundlage für die Ablehnung eines
Angebotes mit einem Angebotspreis von null Euro darstelle. In Slowenien besteht die Besonderheit, dass
der Gesetzgeber in das nationale Vergaberecht die Definition des „öffentlichen Auftrags“ aus Art. 2 Abs. 1
Nr. 5 RL 2014/24/EU übernommen hat, weshalb der EuGH seine Zuständigkeit bejahte. Er sah den
Anwendungsbereich der EU-Richtlinie als eröffnet an. Wie sich aus Art 1 Abs. 1 RL 2014/24/EU ergebe, gilt
die Richtlinie für „öffentliche Aufträge“ im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 RL 2014/24/EU, deren geschätzter
Wert nicht unter den in Art. 4 der Richtlinie genannten Schwellenwerten liegt. Mit der Öffnung des
sachlichen Anwendungsbereichs durch Erreichen oder Überschreiten der jeweiligen Schwellenwerte ist das
Vergaberecht der Richtlinie zu beachten. Fallen die abgegebenen Angebote im sich anschließenden
Verfahren geringer als die Schätzung aus, unterschreiten sie den Schwellenwert oder sehen sie – wie in
dem entschiedenen Fall – überhaupt keine Gegenleistung vor, kann hierdurch die einmal begründete
sachliche Anwendbarkeit der Richtlinie nicht entfallen. Auch aus anderen Gründen kann ein „Null-Euro“-
Angebot nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden. Es fehlt hierfür an einer Rechtsgrundlage. Vielmehr
ist eine Aufklärung von „Null-Euro-Angeboten“ auf der Grundlage von Art. 69 RL 2014/24/EU erforderlich.
Der betreffende Bieter sei daher zu Erläuterungen zur Höhe des Angebots gemäß Art. 69 Abs. 1 RL
2014/24/EU aufzufordern, wobei sich diese Erläuterungen insbesondere auf die in Absatz 2 dieses Artikels
genannten Punkte beziehen könnten. Diese Erläuterungen trügen zur Bewertung der Verlässlichkeit des
Angebots bei und ermöglichten den Nachweis, dass sich der Preis von null Euro nicht auf die
ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags auswirken werde. Nach Art. 69 Abs. 3 RL 2014/24/EU müsse
der öffentliche Auftraggeber nämlich die beigebrachten Informationen mittels einer Rücksprache mit dem
Bieter bewerten und er könne ein solches Angebot nur ablehnen, wenn die beigebrachten Nachweise
den/die ungewöhnlich niedrigen Preis/e bzw. Kosten nicht zufriedenstellend erklärten. Der EuGH hat über
diese Frage im vorliegen Fall letztlich nicht selbst entschieden, sondern eine Entscheidung dem nationalen
Gericht überlassen. Die Autoren halten den Ausschluss des Bieters aufgrund der Besonderheiten des
Sachverhalts nicht für zwingend. Sie gehen in ihrer Besprechung noch auf weitere Punkte zur
Entgeltlichkeit eines öffentlichen Auftrags ein.
In Slowenien besteht die Besonderheit, dass der Gesetzgeber in das nationale Vergaberecht die Definition des „öffentlichen Auftrags“ aus Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 RL 2014/24/EU übernommen hat, weshalb der EuGH seine Zuständigkeit bejahte.
Er sah den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie als eröffnet an. Wie sich aus Art 1 Abs. 1 RL 2014/24/EU ergebe, gilt die Richtlinie für „öffentliche Aufträge“ im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 RL 2014/24/EU, deren geschätzter Wert nicht unter den in Art. 4 der Richtlinie genannten Schwellenwerten liegt. Mit der Öffnung des sachlichen Anwendungsbereichs durch Erreichen oder Überschreiten der jeweiligen Schwellenwerte ist das Vergaberecht der Richtlinie zu beachten. Fallen die abgegebenen Angebote im sich anschließenden Verfahren geringer als die Schätzung aus, unterschreiten sie den Schwellenwert oder sehen sie – wie in dem entschiedenen Fall – überhaupt keine Gegenleistung vor, kann hierdurch die einmal begründete sachliche Anwendbarkeit der Richtlinie nicht entfallen.
Auch aus anderen Gründen kann ein „Null-Euro“-Angebot nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden. Es fehlt hierfür an einer Rechtsgrundlage. Vielmehr ist eine Aufklärung von „Null-Euro-Angeboten“ auf der Grundlage von Art 69 RL 2014/24/EU erforderlich. Der betreffende Bieter sei daher zu Erläuterungen zur Höhe des Angebots gemäß Art. 69 I RL 2014/24/EU aufzufordern, wobei sich diese Erläuterungen insbesondere auf die in Absatz 2 dieses Artikels genannten Punkte beziehen könnten. Diese Erläuterungen trügen zur Bewertung der Verlässlichkeit des Angebots bei und ermöglichten den Nachweis, dass sich der Preis von null Euro nicht auf die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags auswirken werde. Nach Art. 69 III RL 2014/24/EU müsse der öffentliche Auftraggeber nämlich die beigebrachten Informationen mittels einer Rücksprache mit dem Bieter bewerten und er könne ein solches Angebot nur ablehnen, wenn die beigebrachten Nachweise den/die ungewöhnlich niedrigen Preis/e bzw. Kosten nicht zufriedenstellend erklärten. Der EuGH hat über diese Frage im vorliegen Fall letztlich nicht selbst entschieden, sondern eine Entscheidung dem nationalen Gericht überlassen. Die Autoren halten den Ausschluss des Bieters aufgrund der Besonderheiten des Sachverhalts nicht für zwingend. Sie gehen in ihrer Besprechung noch auf weitere Punkte zur Entgeltlichkeit eines öffentlichen Auftrags ein, die den Aufsatz ebenfalls lesenswert machen.
Silke Renner, AOK-Bundesverband, Berlin