Das Instrument der Rahmenvereinbarung in der Rechtsprechung des EuGH

Kein Freischein für flexible Beschaffung
Titeldaten
  • Schröck, Tassilo; Kraus, Philipp
  • NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
  • Heft 1/2022
    S.12-14
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

§ 121 Abs. 1 S. 1 GWB, Anhang V Teil C Nr. 7 VRL, Art. 33 II UAbs. 3 VRL, Art. 72 VRL, § 132 Abs. 2 GWB, § 132 Abs. 3 GWB

EuGH, Urt. v. 17.06.2021 - Rs. C-23/20; Simonsen & Weel

Abstract
Die Autoren setzen sich in ihrem Beitrag mit der Entscheidung des EuGH vom 17.06.2021 (Rs. C-23/20; Simonsen & Weel) zur Frage der Angabe von Höchstgrenzen bei Rahmenvereinbarungen auseinander. In einer kurzen Einleitung stellen die Autoren zunächst die gängigen Vorteile einer Rahmenvereinbarung dar. So bestehen keine Mindestabnahmemengen und nur eine eingeschränkte Pflicht zur eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Leistung. Die Autoren stellen klar, dass die Auffassung, dass auch keine Höchstmengen für die Leistung vorgegeben werden müssten, nach der Entscheidung des EuGH nicht mehr vertreten werden könne. Anschließend stellen die Autoren zunächst den Sachverhalt und die Vorlagefragen des EuGH-Verfahrens sowie die Entscheidungsgründe vor. Eine dänische Region hatte die Lieferung von Ausrüstung für die künstliche Ernährung als Rahmenvereinbarung ausgeschrieben, wobei eine andere Region optional Leistungen abrufen können sollte. Sie gab aber weder den Höchstwert noch die Höchstmenge an. In einem hiergegen erhobenen Beschwerdeverfahren legte das Gericht dem EuGH drei Fragen vor. Zunächst wollte es wissen, ob nach der Vergaberichtlinie eine Höchstmenge oder ein Höchstwert in einer Rahmenvereinbarung angegeben werden müsse und wenn ja, ob diese ihre Wirkung verliere, wenn die Menge oder der Wert erreicht sei. Sofern dies der Fall wäre, wollte das Gericht noch wissen, ob der Wert auch für mehrere Auftraggeber angegeben werden müsse. Letztlich wollte das Gericht wissen, ob es sich denn um eine de-facto-Vergabe handele, wenn keine Höchstmengen oder -werte in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angegeben seien. Der EuGH bejahte die erste Vorlagefrage und begründete dies damit, dass der Auftraggeber ohnehin die entsprechenden Werte für die Auftragswertberechnung benötige und daher diese auch mitteilen könne. Zudem ergäbe sich aus Anhang V Teil C Nr. 7 VRL die Pflicht zur Angabe der Höchstwerte bzw. -mengen in der Bekanntmachung. Letztlich verstieße die fehlende Angabe gegen den Grundsatz der Transparenz, da ansonsten Rahmenvereinbarungen rechtsmissbräuchlich oder in wettbewerbshindernder Weise eingesetzt werden könnten. Auch die zweite Vorlagefrage bejahte der EuGH, sodass auch die Höchstmengen bzw. -werte für mehrere Auftraggeber angegeben werden müssen. Lediglich die letzte Frage verneinte der EuGH, da eine derartige Sanktion unverhältnismäßig sei. Nach Ansicht der Autoren ergeben sich aus der Entscheidung des EuGH einige Präzisierungen zur Höchstgrenzenproblematik bei Rahmenvereinbarungen, welche diese anschließend darstellen. Zunächst gehen die Autoren davon aus, dass man zukünftig nicht mehr davon ausgehen könne, dass das Bestimmtheitsgebot aus § 121 Abs. 1 S. 1 GWB für Rahmenvereinbarungen nur eingeschränkt Geltung beanspruche. So sei die Angabe von Höchstmengen oder -werten auch deshalb erforderlich, um die Leistungsfähigkeit eines Bieters zur Erfüllung von dessen Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen zu können. Darüber hinaus schaffe der EuGH Klarheit dahingehend, ob sowohl Schätzwert als auch Höchstwert gemeinsam angegeben werden müssten. Aus den Urteilsgründen ergeben sich nach Ansicht der Autoren Anhaltspunkte dahingehend, dass sich die Höchstgrenze aus dem Schätzwert ergäbe und der Höchstwert bzw. die Höchstmenge dann der Schätzwert bzw. die Schätzmenge wären, welche der Auftraggeber für verbindlich erklärte. Zum Abschluss beschreiben die Autoren die ihrer Ansicht nach weiterhin verbleibenden Flexibilitätspotentiale bei Rahmenvereinbarungen. So dürfe und müsse der Auftraggeber die Bedarfsmenge großzügig schätzen, da nur dies einer umsichtigen betriebswirtschaftlichen Finanzplanung entspräche. Zudem stelle der EuGH ausdrücklich klar, dass Vertragsänderungen nach Art. 33 Abs. 2 UAbs. 3 und Art. 72 VRL zulässig seien. So könnten Rahmenvereinbarungen nach der de-minimis-Regelung des § 132 Abs. 3 GWB erweitert werden. Auch ist eine Mengenerweiterung in den Fällen des § 132 Abs. 2 GWB unter den dort genannten Voraussetzungen möglich. Lediglich die Vereinbarungen von Optionen sei nach Ansicht der Autoren kein geeignetes Mittel zur Flexibilisierung von Rahmenvereinbarungen.
Daniel Bens, avocado rechtsanwälte, München