Titeldaten
- Hattig, Oliver; Oest, Tobias
- NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
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Heft 8/2022
S.393-396
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz
Abstract
Die Autoren besprechen das EuGH-Urteil vom 7. September 2021 (Az.: C-927/19). Dabei geht es vor allem um die Frage, unter welchen Bedingungen sich Unternehmen in Vergabeverfahren zum Nachweis ihrer Leistungsfähigkeit auf Umsätze von Arbeitsgemeinschaften, an denen sie früher beteiligt waren, berufen können. Eingangs erörtern die Autoren, dass zunächst zu unterscheiden sei, ob ein Gesamtumsatz oder ein Umsatz für den Tätigkeitsbereich, der Gegenstand der Ausschreibung ist, gefordert ist. Ist zum Nachweis der eigenen finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein bestimmter Gesamtumsatz gefordert, könne sich ein Einzelbieter ohne Weiteres auf den Gesamtumsatz einer Arbeitsgemeinschaft, an der er beteiligt war, berufen. Der EuGH hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem sich ein Unternehmen auf den Umsatz in einem bestimmten Tätigkeitsbereich berufen wollte, den eine früher Arbeitsgemeinschaft des Unternehmens, erzielt hatte. Innerhalb dieser früheren Arbeitsgemeinschaft hatte allerdings ein anderes Unternehmen die entsprechende Leistung erbracht. Dabei hat sich der EuGH auch mit der Frage auseinandersetzt, in welchem Maße der Mindestumsatz in einem bestimmten Tätigkeitsbereich nicht nur als Nachweis für die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sondern auch dem Nachweis einer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit dienen kann. In seiner Entscheidung führt der EuGH aus, dass die Forderung eines Mindestumsatzes im Tätigkeitsbereich des zu vergebenden Auftrags einen doppelten Zweck verfolge. Zum einen werde damit die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit und zum anderen die technische und berufliche Leistungsfähigkeit festgestellt. Ein Unternehmen könne sich daher nur dann auf die Umsätze einer früheren Arbeitsgemeinschaft berufen, wenn es als Mitglied der selbigen tatsächlich selbst die Tätigkeit – vergleichbar zu dem zu vergebenden Auftrag – erbracht habe. Die Autoren zeigen sich zunächst erstaunt über das Verständnis des EuGH, dass dem Mindestumsatz in dem Tätigkeitsfeld des ausgeschriebenen Auftrags eine Doppelfunktion zukomme. Nach dem Wortlaut der Richtlinie und der einschlägigen deutschen Rechtsnormen würden Umsatzangaben allein die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens belegen. Aber auch sie kommen zu dem Ergebnis, dass eine inhaltliche Überscheidung mit der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit in einem solchen Fall bestehe. Sie halten es jedoch durchaus für schwierig diesen Nachweis in der Praxis zu erbringen, denn oft sei nicht trennscharf zu differenzieren, welches Mitglied einer Arbeitsgemeinschaft welchen Umsatz erbracht habe.
Linda Siegert, ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, Hamburg