Alles Nichts Oder? – Rechtliches Gehör und Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen

Titeldaten
  • Kirch, Thomas
  • NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
  • Heft 5/2023
    S.295-298
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

§ 165 Abs. 2 GWB, Art. 103 GG, Art. 12 GG , § 175 GWB

KG Berlin, Beschl. v. 18.05.2022 – Verg 7/21, BVerfGE 115, 205, BGHZ 214, 11, EuGH ECLI:EU:C 2021:700

Abstract
Der Verfasser setzt sich kritisch mit einer Entscheidung des KG Berlin zum Umgang mit Geschäftsgeheimnissen im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens auseinander. Das KG hatte im Rahmen einer Kostenentscheidung und damit nach summarischer Prüfung entschieden, dass dem Antragsteller die beantragte Einsicht in geheimhaltungsbedürftige Anhänge des schriftsätzlichen Vortrags der Beigeladenen nicht hätte gewährt werden dürfen. Das KG habe dann weiter die Ansicht vertreten, dass es seine Entscheidung ohnehin nur auf diejenigen Tatsachen und Unterlagen hätte stützen dürfen, die allen Verfahrensbeteiligten bekannt gewesen wären. Faktisch hätte sich dann aber auch die Beigeladene entscheiden müssen, den Vortrag entweder offen zu legen oder sie hätte akzeptieren müssen, dass der nicht offen gelegte Vortrag vom KG bei der Entscheidungsfindung keine Berücksichtigung finden kann. Dass das KG durch diese Rechtsansicht dem Grundrecht auf rechtliches Gehör absoluten Vorrang vor dem Schutz von Geschäftsgeheinissen einräumt, wird anschließend durch den Autor einer ausführlich und überzeugenden Kritik unterzogen. Hierbei setzt er sich mit der – die Entscheidung des KG seiner Ansicht nach nicht stützenden - Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des BGH und auch des EuGH auseinander. In einem Fazit stellt der Autor sodann überzeugend dar, dass das vom KG postulierte „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ weder durch die gesetzlichen Regelungen noch durch die obergerichtliche Rechtsprechung gestützt wird. Dementsprechend bleibe es dabei, dass in jedem Einzelfall eine Abwägungsentscheidung zu treffen sei. Zudem dürften die Vergabenachprüfungsinstanzen ihre Entscheidungen weiterhin auch auf solche Tatsachen stützen, die nicht allen Beteiligten bekannt sind, wenn den Betroffenen im Übrigen ausreichende Informationen zur Verfügung gestellt würden, sodass das Recht auf wirksame Nachprüfung trotz der Nichtoffenlegung weiterhin gewährleistet sei.
Martina Hadasch, avocado rechtsanwälte, München