Verschärfte Eignungsanforderungen an Investor für Anteilserwerb in ÖPP-Projekten

Titeldaten
  • Tresselt, Wiland; Gbellu, Chiir Anthony
  • NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
  • Heft 8/2023
    S.510-512
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

EuGH, 1.8.2022, Rs. C-332/20

Abstract
Der Beitrag analysiert und kommentiert das EuGH-Urteil vom 01.08.2022 in der Rechtssache C-332/20 („Roma Multiservizi“), das sich mit den Eignungsanforderungen von Bewerbern um eine öffentlich-private Partnerschaft befasst. Nach einer Darstellung des wesentlichen Sachverhalts und der Besonderheiten des italienischen Rechts (Untergrenze von 30 % für die private Beteiligung) werden der wesentliche Gegenstand der gerichtlichen Befassung und die tragenden Überlegungen des Urteils erörtert: Mit seiner Entscheidung bestätigt der Gerichtshof den Ausschluss eines gemischt-wirtschaftlichen Bewerberkonsortiums von dem Vergabeverfahren um die private Minderheitsbeteiligung an dem ÖPP. Nach einer Einordnung der durch das ausgeschriebene ÖPP zu erbringenden Dienstleistungen als Hauptgegenstand des Auftrags gelangt der Gerichtshof zu der Beurteilung, dass sich in einer solchen Konstellation die Eignungsanforderungen nicht ausschließlich auf den Anteilserwerb bzw. die gesellschaftsrechtliche Beteiligung beziehen dürfen, sondern die finanzielle und technische Leistungsfähigkeit zur Ausführung der Dienstleistungen in den Vordergrund stellen müssen. Sofern, wie hier der Fall, die Ausschreibungsbedingungen (aufgrund mitgliedstaatlicher Vorgaben) eine bestimmte Beteiligungshöhe für den im Wettbewerb zu suchenden privaten Mitgesellschafter vorsehen, dürfe dies nicht dadurch unterlaufen werden, dass sich der öffentliche Auftraggeber selbst im Rahmen eines Bieterkonsortiums um die Minderheitsbeteiligung bewirbt und hierdurch im Zuschlagsfalle die in den Ausschreibungsbedingungen vorgegebene Beteiligungshöhe des Auftraggebers an dem ÖPP faktisch überschritten würde. Die Verfasser beleuchten diese Befunde des Gerichtshofes und die ihnen zugrundeliegenden Erwägungen und erörtern etwaige Konsequenzen für zukünftige ÖPP-Ausschreibungen, auch im Bereich von Wegenutzungskonzessionen nach § 46 EnWG.
Dr. Martin Dieckmann, ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU, Hamburg