Näheres zu Zuständigkeiten, Verfahren und Rechtsschutz
Titeldaten
- Lampert, Stephen
- NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
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Heft 2/2025
S.79-82
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz
Abstract
Der Aufsatz befasst sich mit Fördermittelkürzungen wegen „Unregelmäßigkeiten“ im Rahmen der Abwicklung von Projekten, die aus Fonds der Europäischen Union finanziert werden. Mit seinem Urteil vom 30.01.2024 führt der EuGH diesbezüglich die Klärung praxisrelevanter Fragen herbei. Die Klägerin Agentsia Patna Infrastruktura war in Bulgarien Begünstigte aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). Sie schrieb die Planung und den Bau eines Autobahnabschnitts in Westbulgarien losweise aus. Der Auftrag wurde mit einem Zuschuss aus dem operationellen Programm EFRE „Verkehr“ 2007-2013 finanziert. Die Vergabeunterlagen forderten für jedes Mitglied eines Konsortiums den Nachweis von Erfahrungen mit dem Bau von Straßen, deren Struktur eine Achslast von 11,5 Tonnen tragen kann. Die Kommission stellte mit Beschluss vom 27.07.2021 C (2021) 5739 einen Vergabeverstoß gegen die Vorgaben der RL 2004/18/EG fest. Die bulgarische Behörde leitete ihrerseits ein Finanzkorrekturverfahren ein und nahm mittels Bescheids eine Kürzung der Förderung in Höhe von fünf Prozent des Wertes des vergebenen öffentlichen Auftrags vor. Der Autor führt an, dass Dreh- und Angelpunkt der unionsrechtlichen Mittelverwendungskontrolle der Rechtsbegriff der „Unregelmäßigkeit“ sei. Darunter falle jeder Verstoß gegen eine Bestimmung des Unionsrechts oder gegen das nationale Recht zur Anwendung dieser Bestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers, die dadurch einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Union bewirkt oder bewirken würde, dass ihm eine ungerechtfertigte Ausgabe angelastet wird oder würde. Bei dem EFRE handle es sich um einen Unionsfonds mit geteilter Mittelverwaltung. Die nationalen Behörden würden im Namen und zulasten des Haushalts der Union Fördermittel gewähren. Hauptgarant für eine korrekte Verwendung der Mittel sei der Mitgliedstaat. Die mitgliedstaatlichen Behörden könnten sich an Leitlinien der Kommission für finanzielle Berichtigungen orientieren. Dem EuGH zufolge sei die Kommission nur subsidiär zuständig, um einem Versäumnis des (primär) zuständigen Mitgliedstaates abzuhelfen. Dieser sei wiederum an die Verfügung der Kommission gebunden und verpflichtet, die Wiedereinziehung der Mittel gegenüber dem Empfänger durchzusetzen, soweit die Kommission bei der Prüfung zu einer Finanzkorrektur komme. Eine Rechtsgrundlage im nationalen Recht des Mitgliedstaats sei zudem nicht erforderlich, da es nur um die Folge der Feststellung gehe, dass die Voraussetzungen für den Erhalt eines unionsrechtlich vorgesehenen Vorteils nicht beachtet wurden. Der Verfasser führt an, dass die Arbeitsteilung zwischen nationalen Gerichten und den Unionsgerichten von besonderem praktischen Interesse sei. In der deutschen Förderpraxis sei das nationale angerufene Verwaltungsgericht bei seiner Urteilsfindung an den Korrekturbeschluss der Kommission gebunden, da nur der EuGH die Ungültigkeit einer Handlung der Union feststellen könne. Soweit das Gericht Zweifel an der Gültigkeit der Kommissionsentscheidung habe, müsse es dem EuGH nach Art. 267 AEUV ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit des Korrekturbeschlusses der Kommission unterbreiten. Dem Autor zufolge füge sich die Entscheidung in die bisherige Rechtsprechung des EuGH ein und enthalte zu Zuständigkeiten, Verfahren und Rechtsschutz schlüssige und praxisrelevante Präzisierungen. Sie stütze sich auf das in Art. 47 GRCh verankerte Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und den Vorabentscheidungsmechanismus in Art. 267 AEUV. Der EuGH präzisiere darin die Arbeitsteilung zwischen den primär für den Vollzug zuständigen nationalen Behörden und Gerichten und den subsidiär zuständigen Stellen der Union. Bezüglich der Einschränkungen der Eignungsleihe bei Bewerber- oder Bietergemeinschaften, die nicht durch einen außergewöhnlichen Umstand gerechtfertigt sind, sei die Entscheidung auch in vergaberechtlicher Hinsicht relevant.
Linda Siegert, ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, Hamburg